Grabpflege selber machen als Trauerhilfe

Kurzversion:

Grabpflege tut in der Seele gut. Blumen und Kräuter pflanzen für einen lieben Menschen wirkt ausgleichend auf Körper und Geist. Lesen Sie, wie es mir ging, nach dem Tod meiner Mutter.

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Meine liebe Mutter starb vor ein paar Monaten. Im gemeinsamen Urlaub in Spanien, ein plötzlicher Herztod ereilte sie mitten in der Nacht. Schnell sollte ich entscheiden, was mit ihrer Leiche geschehen solle. Nach Abwägung aller Möglichkeiten mit den Bestattern vor Ort und den religiösen Seelsorgern meiner Mutter zu Hause, wollte ich noch vor Ort eine Feuerbestattung durchführen. Denn in Spanien ist vor einer Rückführung eines Leichnams gesetzlich die “moderne Einbalsamierung” vorgeschrieben.

So eine Einbalsamierung ist nicht schön. Wichtige Teile des Körpers werden dabei vernichtet. Die Blutgefäße werden mit Formalin ausgespritzt, zur vorübergehenden Konservierung des Leichnams vor dem Transport. Flugfracht einer Verstorbenen im Zinksarg ist auch nicht schön. So etwas hätte meine Mutter nicht gewollt, war ich überzeugt. Ihre Seele sollte ihren unversehrten Körper verlassen können an einem Ort, den sie geliebt hatte.

Ich bestellte eine Sandurne, für die spätere Bestattung der Asche im Familiengrab. Doch meine Geschwister bestanden auf der Bestattung des Leichnams im Sarg. Sie zogen alle Register, um eine Kremierung zu verhindern, begingen dafür sogar Prozessbetrug vor Gericht. Hinter meinem Rücken ließen meine Geschwister den Leichnam abholen im spanischen Krematorium. Sie versteckten ihn vor mir. Den Begräbnistermin verheimlichten Sie. In der Verwandtschaft, ebenso unter Freunden verbreiteten sie, ich hätte meine Mutter getötet.

Menschen, die meiner Mutter und mir stets freundlich gesonnen gewesen waren, wandten sich ab von unserer Familie. Mit meinem Bruder und seinen Belästigungen am Telefon wollten viele Angehörige bald nichts mehr zu tun haben. Mit mir aber auch nicht. Sie gaben mir wenig emotionalen Rückhalt, zogen sich zurück von diesem Schauplatz.

Mein Bruder unterstellte mir Mord. Mit der Feuerbestattung hätte ich vorgeblich “die Beweise vernichten wollen”, verbreitete er. Gemeinsam mit meiner Schwester brachte er ein Verfahren gegen mich ins Rollen bei der Staatsanwaltschaft. So erzwangen meine Geschwister die Obduktion des Leichnams. Der Bericht ist bis heute nicht fertig. Ich bin auch nicht erpicht darauf, ihn zu lesen. Schon gar will ich Bilder vom obduzierten Leichnam meiner Mutter sehen müssen. Sie war in meinem Beisein verstorben, das Notarztteam hatte sie nicht retten können. Der Anblick ihres toten Körpers in unserem gemeinsamen Urlaubsbett verfolgt mich bis heute. Völlig sinnlos fand ich diese Obduktion, denn schon der spanische Notarzt hatte einen eindeutig natürlichen Tod festgestellt gehabt.

Den Begräbnistermin, den meine Geschwister für den Sarg angesetzt hatten im Familiengrab, erfuhr ich erst nach mehrmaligem Nachhaken vom Bürgermeister unserer Heimatstadt. Ich bestellte für das Begräbnis einen Bodyguard, denn ich fühlte mich nicht mehr sicher. Dieser ganze Wahnsinn meiner Geschwister, zusätzlich zur Trauer um meine Mutter, das machte mich fertig. Ich hatte Sorge, körperlich angegriffen zu werden, würde ich allein zur Beerdigung gehen. Zum Glück blieb während der Zeremonie am Grab alles friedlich.

Ich klagte gegen meine Geschwister auf Unterlassung. Sie sollten aufhören damit, Verleumdungen in die Welt zu setzen und mich nicht mehr als Mörderin dastehen lassen. Erneut begangen meine Geschwister Prozessbetrug. Meine Klage wurde in zwei Instanzen abgewiesen. Die Begründungen der Richter waren absurd. Ganz verstanden habe ich sie bis heute nicht. Ich glaube, das Gericht war der Ansicht, es würde mir kein Schaden entstehen durch diese Verleudmungen, denn unsere Familie sei sowieso schon stadtbekannt zerstritten.

Manchmal dachte ich, ich drehe durch. Ich bekam so heftige körperliche Symptome vor Trauer und Stress, Sie können sich das nicht vorstellen. Es gab Momente, da befürchtete ich, jetzt sterbe auch ich an einem Herzinfarkt. Ich wurde so müde und antriebslos, konnte kaum noch arbeiten. Ich fertigte vorher-nachher Fotos an von meinem Gesicht. Vor dem Tod meiner Mutter war meine Haut glatt und prall gewesen, von gesunder Farbe. Nun sah ich aus wie ein alter grauer Schwamm. Meine Finger schwollen an, die Beine wurden dick. Mein Abo im Fitnesscenter ließ ich still legen. Manchmal hatte ich sogar schon Probleme beim Treppensteigen. Ich bekam kaum noch Luft bei körperlicher Anstrengung.

Ich begann mit Traumatherapie. Zusätzlich besuchte ich psychologische Sitzungen von Familienaufstellung. Ich hoffte, dies würde mir helfen können. Doch nach ein paar Terminen bemerkte ich, dass mich diese Gespräche noch mehr aufwühlten. Denn sie kehrten alte Konflikte unterm Teppich hervor.

Erraten Sie, was mir besser hilft, als Psychotherapie? Grabpflege!
Das Grab meiner Mutter bestand nach der Beerdigung aus einem riesigen Erdhügel von dicker, grauer Lehmerde voller Steine.
Wäre die Asche meiner Mutter in meiner Sandurne bestattet worden, hätte nur ein kleines Loch ausgehoben werden müssen im Familiengrab. Doch für die Sargniederlegung war das ganze Grab geöffnet worden.
Ausgehobene Erde muss sich langsam senken vor einer Neugestaltung vom Grab. Monate kann es dauern, auch ein Jahr oder länger, bevor das Grab professionell bepflanzt werden kann.
Meine Geschwister hatten auf die aufgeschüttete Erde nur eine Plastikschale stellen lassen mit Friedhofsblümchen. Das sah unmöglich aus, fand ich, meiner Mutter unwürdig.
Spontan fing ich an, diesen Lehmberg zu bepflanzen.

Ein bis zweimal pro Woche kam ich zur Grabpflege. Ich sammelte Gräser, Blumen und Kräuter an Orten, an denen meine Mutter gerne gewesen war. Diese setzte ich ein in den weichen Lehm mit bloßen Händen und einer kleinen Schaufel. Meine Arme waren oft bedeckt bis zur Schulter mit Dreck und Staub, der angereichert war mit den sterblichen Überresten meiner Vorfahren. Aus den Steinen formte ich kleine Steinkreise. Mit Samen füllte ich Lücken. Bald blühte alles wunderschön. Über mehrere Wochen entstand ein bunter Grabhügel, mit vielen kleinen persönlichen Erinnerungen.

Meine Mutter hilft von unten mit, war ich überzeugt. Ich begann, bei der Grabarbeit mit ihr zu plaudern. Oft bekam ich Antwort von ihr. “Sie haben ihre Mutter besser gekannt, als jeder andere Mensch”, glaubte meine Psychologin. ,Lange Vertrautheit mit einem verstorbenen Menschen könne zu inneren Dialogen führen, bestätigte sie, und fand das ganz gesund.

Umgeben war ich bei der Grabpflege von Vögeln, Eichhörnchen und Bienen. Langsam ging es mir besser. Mit jeder neuen Blüte verflog die Trauer. Schnecken waren willkommen, sie knabberten an abgestorbenen Blättern. Wo sie Löcher hinterließen, pflanzte ich nach.

Früher hatte ich mit Friedhöfen und Gräbern nichts am Hut gehabt. Doch nun freundete ich mich an mit der Idee einer Grabstelle in gepflegter Natur. Ich lief barfuß durch den gemähten Friedhofsrasen zum Wasserbecken, um die frischen Blumen zu gießen. Freundinnen meiner Mutter lud ich ein zum blühenden Grab. Wir setzten uns auf eine kleine Bank und bestaunten die Farbpracht.

Nach ein paar Monaten veränderten sich die inneren Dialoge mit meiner Mutter. Sie wollte von mir, dass ich mein Leben weiterlebe. Es ging nicht mehr um Probleme, sondern um Zukunftspläne. Ich merke, wie sich mein Körper nun selbst heilt. Der Blutdruck wird besser, die Kraft kommt zurück, auch ein wenig gute Laune.

Ich bin überzeugt, die Grabpflege hat mir dabei sehr geholfen.

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