Grüne Woche 2020: Meine 17 coolsten Aussteller

Beitragsbild: Internationale Grüne Woche 2020. Ein neues Gütesiegel bereichert unsere bunte Zertifikatsfamilie: Grüner Knopf, das klingt nach Superheld. Als jüngstes Label der deutschen Bundesregierung für nachhaltige Textilien wurde das Knopfzeichen geadelt – als prominentes Aushängeschild auf Socken. Die Hopp KG, Spezialistin für nachhaltige Fußmode, hat das Siegel als Designelement interpretiert.

Haben Sie die IGW schon einmal besucht? Die Internationale Grüne Woche in Berlin ist eine riesig große Messe. In Besuchern gerechnet die größte von ganz Deutschland. Aussteller präsentieren sinnbildlich quer durch den Gemüsegarten essbare Produkte und landwirtschaftliche Ideen. Menschenströme schieben sich durch lange Gänge in endlos scheinenden Hallentempeln, als gäbe es etwas umsonst. 1875 Teilnehmer kommen aus 71 Staaten in die deutsche Hauptstadt.

Die Grüne Woche ist umstritten. Kritiker bemängeln, konventionelle Landwirtschaft mit ausbeuterischen Anbaumethoden würde thematisch im Vordergrund stehen. Diese Ansicht kann ich nicht teilen. Vielleicht ist das meinem persönlichen Fokus auf gesunde Ernährung geschuldet. Nichtbio Produkte blende ich aus. Ich suche die guten Ideen, zukunftsweisend und “enkeltauglich”. Produkte, die ich als Expertin für natürliche Gesundheit ohne Bedenken kaufen, empfehlen und selbst konsumieren würde. Ich habe für das Jahr 2020 als Motto für diesen Beitrag Bio, Gesunde Ernährung, Authentizität und Nachhaltigkeit gewählt.
Obwohl ich eine Woche lang täglich auf der IGW unterwegs war, konnte ich nicht alle Produzenten mit Bio-Produkten berücksichtigen. Es waren zu viele. Doch ich habe süße Leute mit einigen feinen Erzeugnissen für Sie entdeckt, zwar als Nahrungsmittel verkauft werden, doch durchaus medizinische Wirkung haben.
Die folgende Nennung der Aussteller ist chronologisch, sie entspricht dem zeitlichen Ablauf meiner Gespräche. Bezahlt wurde ich nicht für Besuche, alle Texte sind authentischer, redaktioneller Content, als Inspiration für Ihre beste Gesundheit.

Welche Aussteller der IGW fanden Sie toll?
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Hopp KG

Daniel Hopp, Sockenliebhaber in zweiter Generation, leitet den Hopp Familienbetrieb als Geschäftsführer.

Coole Socke? Wenn sich jemand damit auskennt, dann Daniel Alexander Hopp, Sohn des gleichnamigen Strumpfwarenunternehmensgründers. Sein Vater Ernst Volker Hopp gründete 1993 einen Import Export Einzelhandel, der sich im Laufe der Jahre zum Nachhaltigkeitsmusterschüler mauserte. Bei den von der Hopp KG vertriebenen Socken kommen sieben Siegel zum Einsatz: CoC, BSCI, Textilbündnis, BEPI, GOTS, Cotton made in Africa und jetzt auch Grüner Knopf. Garantiert wird Biobaumwolle vom Anbau bis zum Kunden, soziale Standards, Nachhaltigkeit, Detox, gerechte Einkaufspolitik.

Wer sich nicht um Zertifikate kümmert, sondern schicke, bequeme Socken kaufen möchte, ist hier auch richtig: Die Grüne Knopf Hoppsocke ist veredelt mit handgekettelter Spitze, nichts drückt. Auch die Damenvariante schließt mit männlich breitem Bund ohne Gummizug, nichts quetscht. Natürlich will ich sofort einen Zehnerpack Grünknopfsocken haben, doch leider, sie sind noch nicht released. Man wird sie mir bald schicken, verspricht mir Daniel Hopp, in umweltfreundlichem Recyclingpapier als Brief per Post.

Grüner Knopf Socken sind bestellbar ab März 2020.

Was ich an der Hopp KG cool finde: Es gehört sehr viel Neugier dazu, auch Liebe zum Detail, sich nachhaltige Bio Socken ohne toxische Textilkonservierung zur Lebensaufgabe zu machen. Die intensive Spezialisierung der Hopp KG auf eine kleine Marktnische hat über Jahrzehnte ein feines Produktportfolio hervorgebracht, das alle “Stückerln spielt”, ohne Schnickschnack. Dabei bleiben die Socken preislich in einem so erschwinglichen Rahmen, dass es für mich gar keinen Grund mehr gibt, andere Socken für jeden Tag zu kaufen.

Streuobstmosterei

Beate Giesinger schwört auf Birnoh, ausgezeichnetes Brennereikunstwerk mit Birnenkeltersaft.

Streuobstwiesen sind angekommen im Mainstream der Nachhaltigkeit. Schorlen, Limonaden, Saft … wer heutzutage auf seinen guten Namen als Getränkenerd achtet, integriert Streuobst auf die eine oder andere Weise in Limonaden, Säfte oder Schorlen.
Die Stahringer Streuobstmosterei setzt neue Standards als Streuobst Bioregionalökogourmet. Nach dreißig Jahren im Geschäft wartet man auf mit kreativen Produktnoten, wie ich sie bisher nie gekostet habe. Birnen-Sherry wird mit süßem Keltersaft veredelt. Cidre zart und frisch wie Gebirgsluft küsst Zitronenverbene in Apfel-Birnenschorle namens “Limmo”. Apfel-Verjus als magenfreundliche Alternative zu Essig wird geboten, nur für Kenner.

Mitarbeiterin Beate Giesinger erklärt mir die Birnoh Philosophie: Typische Bodensee-Birnen werden gebrannt, mit rohem Keltersaft gemischt und im Holzfass gereift. Der Birnoh bekommt von mir hundert Punkte, danke!
Erhältlich in Berlin ist er seit der IGW 2020 im Galander Liquor Store, Kreuzberg.

Was ich an Birnoh cool finde: Die Stahringer Streuobstmosterei nimmt sich dessen an, was lokal zur Verfügung steht. Daraus macht sie das Allerbeste. Respekt vor der Natur kreativ interpretiert, nachhaltig, bringt so tolle Ergebnisse, dass man sich davon ein (Birnen)Scheibchen abschneiden kann.

Vivoo Natural Living

Erink Winkel, Gründer von Vivoo, meint es ernst mit dem nachhaltigen Gewissen: Kein Amazon für seine Produkte!

Reiner Zufall, dass ich Erik Winkel gerade heute anrufe. Ich schreibe an einem Artikel über bio Urlaub auf Teneriffa. Erik hat den Atlantik bereist auf einem Segelboot von Gibraltar auf die Kanaren. Als nachhaltigen Weltenbummler will ich ihn interviewen. Doch heute hat er wenig Zeit für mich. Er ist auf dem Weg zur Grünen Woche, da hat er einen Stand. “Worum geht´s?” Kaffee, Kakao, Hanf, schau vorbei, klar gern! Schon oft hat Erik mich überrascht mit irren Geschichten. Mit seinem blutjungen Start-up Vivoo verdient er sich nun Bestnoten für globales Aroma.

Portugiesisches bio CBD Öl mit Kakaonoten trifft auf syntopischen Demeter rotweinaromatischen Rohkakao aus Brasilien. Kakaoschalentee mit Vanilleduft ergänzt sizilianischen Rosmarin-Espresso von indischen Kaffeebohnen, ideal aufgeschäumt mit regionaler bio Hafermilch. Alles nachhaltig, alles bio zertifiziert, alles sozialgeprüft und kompostierbar. Nirgends Plastik, die Verpackungen für Kaffeebohnen sind aus recyceltem Recyclingmaterial.
Erik schlägt mir einen Becher Trinkschokolade auf. Köstlich cremig ist sie, wie Schokopudding. Nicht kälter als sechzig Grad soll die Hafermilch sein, sonst löst sich das Kakaopulver nicht. Aber auch nicht heißer, denn dann klumpt es. Die Mühe lohnt, ich liebe diesen Kakao. WO kann ich euch kaufen, ich bin begeistert. Hier auf der Messe. Und sonst? KEIN Amazon, erklärt mir Erik entsetzt. Niemals. Auch die Lieferkette soll sozialverträglich und nachhaltig sein.

Eigentlich sollte er schon fertig sein, der neue Vivoo Shop. Doch der Senkrechtstart lässt noch auf sich warten. Für echte Nachhaltigkeit braucht man eben Geduld. Es kann sich nur noch um Tage handeln, verspricht Erik, bis der coole Genussladen im Netz endlich öffnet.

Was ich an Vivoo cool finde: Erik Winkel ist cool, egal, was er macht. Es kommt immer etwas Cooles dabei heraus. Das Leben nimmt er, wie es kommt. Von ihm stammt das coolste Zitat der IGW 2020: “Wenn ich morgen sterben müsste, wär mir das egal, weil ich hatte so ein geiles Leben.”

Kulero

Juliane Schöning und Hemant Chawla wollen die Welt befreien von Einwegplastik – mit essbaren Löffeln und Blattgeschirr.

Ein Kunstwerk? Es ist rundum grün, fühlt sich natürlich an, riecht nach Gras und hat zwei Nähte. Juliane Schöning dekoriert ihren Stand im Startup-Center der Grünen Woche 2020. Das schöne Objekt auf ihrem Tischchen hat keine Halterung für einen Nagel. Ich möchte es gerne kaufen, zu Hause an der Wand anbringen, neben einem Multiple von Joseph Beuys. Wenn das kein Bild ist, was ist es dann?
Kulero hat sich auf Einweg-Geschirr spezialisiert, plastikfrei und umweltfreundlich. Das runde Ding, das ist ein Teller.

TELLER? Aus Blättern, handgenäht? Ich verstehe diese Welt nicht mehr. Was kostet so ein Teller? Wird er in Gold aufgewogen? Juliane lacht. Ein Teller kostet rund 30 Cent, er wird in Indien hergestellt. Als Juliane ihr freiwilliges soziales Jahr in Indien absolvierte, hatte ihr späterer Partner Hemant Chawla die gleiche Idee, nur anders herum. Er arbeitete in Deutschland, man traf sich bei einer Konferenz in Kassel. Gemeinsam beschlossen Juliane und Hemant, die antiplastik-Evolution Indiens nach Deutschland zu bringen. Längst ist Einwegplastik in Großstädten wie Mumbai und Dehli verboten, indienweit seit 2019. Viele Plastikalternativen sind im Umlauf. Kulero hat sich darauf spezialisiert, handgenähte Blatt-Teller vom Salbaum nach Deutschland zu bringen. Die Blätter werden geerntet, bevor sie natürlich abfallen. Bäume werden dafür nicht verletzt. Mit zwei bis drei Nähten aus Stroh-Zwirn werden die Blätter manuell vernäht, bevor sie mit Pappe gestärkt und gepresst werden. Wunderschöne Einzelstücke entstehen, die der geneigte Currywurstkonsument mit Ketchup verziert in den Biomüll werfen kann. Oder vielleicht doch an die Wand hängen, sobald die Soße trocken ist?

Essbare Löffel aus Getreide hat Kulero auch im Angebot. Leider kann ich nicht von ihnen kosten, denn sie sind nicht glutenfrei. Erhältlich sind die künstlerisch wertvollen Plastikalternativen von Juliane und Hemant ab März 2020 in ihrem bald erscheinenden Kulero Onlineshop.

Was ich an Kulero cool finde: Das Gründerteam ist cool. Smart im Doppelpack. Man startet mit einem minimal überlebensfähigen Produkt, das eine breitere Palette von nachhaltigen Überlegungen in sich vereint, als so manch komplexes Biozertifikat.

Fairment

Paul Seelhorst, Gründer von Fairment, hat sich krass verändert. Wie konnte das passieren?

Paul? Bist du das? Als ich Paul Seelhorst vor einigen Jahren bei einer Paleo Konferenz kennen lernte, lief er barfuß. Während einer Podiumsdiskussion wirkte er auf uns, als wäre er auf dem Surfbrett angereist. Schulterlange Mähne mit Bun und Shorts trug er. Sein Achttagebart war kreativ verwuschelt.
Als Paul bei der Grünen Woche 2020 vor mir steht, fühle ich mich an einen Musterschüler erinnert.
Braver Kurzhaarschnitt, der Siebentagebart adrett getrimmt, Biobaumwollpulli mit V-Ausschnitt. Er sieht Jahre jünger aus als damals, nice glatt gebügelt wie ein Abiturient. Nur seine glänzend polierten Barfußschuhe erinnern noch leise an die gute, alte Zeit.

Paul hat vor vier Jahren Fairment gegründet, Produzent für fermentierte Lebensmittel. Nicht pasteurisierte Kombucha Getränke in der Glasflasche, Ferment für den Eigenanbau, Gläser, Zubehör. Vielleicht hat ihn sein eigenes Produkt verjüngt. Oder er ist brav geworden. Gezähmt durch Verantwortung mit Mission für beste Darmgesundheit. Ich will ein schönes Foto an seinem Startup-Stand von ihm machen, doch er wirkt erschöpft, seine Augen sind ganz klein. Was hat Paul gemacht, dass er so müde ist? “Gearbeitet”, grinst Paul. Und gestern? Party? “Gearbeitet”. Was machste heute noch? “Arbeiten”.

Fairment ist Teilnehmer der Startup Days der Grünen Woche 2020. Bis zu fünf Jahre jung darf ein Unternehmen sein, um hier pitchen zu dürfen. Fairment fällt gerade noch hinein. Ich freue mich, dass es gut läuft für Paul und seine Partner. Denn Fairment Kombucha ist das einzige fermentierte Getränk in so manchen Bioläden, das unzerstört “lebendig” ist. Mit seinen wertvollen Kulturen unterstützt es das menschliche Mikrobiom. Man kann frischen Teepilz damit züchten.
Alles wirkt seriös bei der Grünen Woche 2020, alles ist professionell, das Fairment Team ist schon zwölf Köpfe schwer. Folgerichtig wird Fairment zweiter Sieger im IGW 2020 Startup-Days Wettbewerb. Super, weiterarbeiten, ihr seid spitze!

Was ich an Fairment cool finde: Die meisten Hersteller von fermentierten Getränken töten ihre Fermentationskulturen ab vor dem Verkauf. Dies mag Haltbarkeit geschuldet sein. Eher aber sucht man damit zu verhindern, dass jeder das Getränk privat reproduzieren kann. Fairment hingegen setzt auf Nachzucht. Ein Fairment Kombucha ist gesundes Getränk einerseits, andererseits auch Starterkultur für eigene Kreationen. Partizipation des Kunden wird großgeschrieben und dafür auch gleich Zubehör bereitgestellt.

Ösel Birch

Anne-Liis Theisen gründete Ösel Birch, nach dem Geschmack ihrer Kindheit: Birkensaft, fermentiert, mit lebenden Kulturen.

Großmutter hat uns mit fermentiertem Birkensaft großgezogen, erzählt Anne-Liis Theisen mit leuchtenden Augen. In Estland lebt ihre gesunde Oma, auf der Insel Ösel. Sie ist sechsundachtzig Jahre alt, erfreut sich unerschütterlicher Fröhlichkeit trotz Hüftverletzung. Umgeben von vier Enkerln plus zweimal Ur kann sie stolz zurückblicken auf gemeinsame Zeit mit ihren Lieben, während der sie ihnen anstelle von Vollmilch selbst gezapften, fermentierten Birkensaft eingeflößt hat.

Zugegeben, ich hätte Anne-Liis nicht für eine Gründerin gehalten. Sie sieht aus wie sechzehn. Höchstens. Das liegt wohl an den guten Milchsäurebakterien der Heimat, die munter in ihr weiterleben. Sie ist schon Ende zwanzig, schreibt an ihrem Master in Onlinemarketing, lebt in Köln und spricht fließend Deutsch. Doch Oma prägt noch immer ihren Alltag. Ösel Birch Birkendrink steht auf ihrem Schreibtisch in der kölschen Großstadt, selbst gezapft, fermentiert und abgefüllt in stylische Glasflaschen im Energy-Drink Stil.
Die seltsame, leicht milchig-trübe Flüssigkeit ist beinahe vollständig zuckerfrei. Der Geschmack erinnert leicht an Trinkmolke, etwas herber, dafür frischer. “Meine Freunde mochten es am Anfang nicht so gern. Erst im Sommer, als es heiß wurde, da schmeckte ihnen der Birkendrink richtig gut. Sie blieben dann dabei, auch als es kühler wurde.” Anne-Liis´ drei Geschwister sind eingestiegen in das Familienunternehmen.

Ich bin sehr angetan von dem gesunden Birkendrink. Vergleichbares habe ich noch nie probiert – so vegan, frisch, dabei mild im Geschmack. Die ungesüßte Variante ist nicht pasteurisiert, mit lebendigen Fermentationskulturen. Der Birkensaft lässt sich super kombinieren mit Blüten und Kräutern. Einen Ösel Birch Onlineshop gibt es für 330ml Gebinde.
Ich testete drei Flaschen vom nicht pasteurisierten, sauren Getränk ohne Zusätze. Das ist so cool und gesundheitlich wertvoll, dass ich gleich ein ABO bestellte: 12 x 0,33L fermentierter Birkensaft regelmäßig geliefert, für beste Gesundheit und jugendliches Aussehen.
Schnell entschlossen: Direktlink Ösel Birch ABO.
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Was ich an Ösel Birch cool finde: Der Reiz liegt in der Simplicity einer traditionsreichen Produktidee: Lebendiger Birkensaft mit Milchsäure-Kulturen ist gesund, hochwertig, kreativ kombinierbar und lecker. Zudem ist die Gründerin mein professionellster Businesskontakt der IGW 2020. Mit Neugier, Freundlichkeit und blitzschnellem Auffassungsvermögen hat sie von mir gelernt, wie die Zusammenarbeit mit Bloggern funktioniert. Innerhalb von zwei Stunden nach unserem ersten Kennenlernen hat sie einen Rabattcode für meine LeserInnen eingerichtet. Top!

Finnishplant

Matti und Tuuli Kotaja haben Rosenblüten aus Marmelade, uhm, umgekehrt, nach Berlin mitgebracht.

Früher waren sie “ganz normale” Landwirte: Weizen haben sie angebaut, und Knoblauch. Im Laufe der Jahre wurde der Wunsch nach “etwas Besonderem” immer größer. Für Rosenblüten haben sich Matti und Tuuli Kotaja aus Finnland entschieden. Auf einer Fläche von sechs Hektar, die schon der Großvater bepflanzt hat, wachsen heute 24 000 arktische Wildrosensträucher anstelle von Getreide. Aus handgeernteten Blüten wird handgekochte bio Marmelade. Tuuli selbst hat das Rezept entwickelt. Hundert Blütenblätter pro Portion braucht man, händisch abgefüllt in Gläschen, die selbst ein wenig an Blüten erinnern. Sobald sie ausgekühlt sind, werden sie von Hand etikettiert und versiegelt. Tuuli macht alles in Personalunion. Nomen est omen, mein Name bedeutet “Wind”, erzählt sie stolz. Matti kümmert sich um die Sträucher. Er liebt Rosen, denn er hat Musik im Blut, komponiert und spielt Klavier. “Eigentlich bin ich Drummer, so spiele ich auch” verrät er mir augenzwinkernd.

Matti und Tuuli haben ein Video gedreht über ihre Rosen, ihr Sohn hat gefilmt. Die Musik dafür hat Matti selbst komponiert, interpretiert und aufgenommen. “Ich habe für die Blumen gespielt” schwärmt Matti, “siehst du, das sind wir in unserem Garten”. So echt wie ihre Schöpfer auftreten, schmeckt auch die Rosenblütenmarmelade. Unfassbar schön im Aroma, fein, nicht zu herb, nicht zu süß. Rosenblüten sind sehr gesund. Für Hildegard von Bingen waren sie Heilpflanzen. “Kann ich zwei Gläschen kaufen?” Ich bekomme sie als Geschenk. “Eine Marmelade für dich, eine für deine Mama”, zwinkert Tuuli. Dankeschön. :)

Bestellen kann man Ruusun Terälehtihillo, Rosenblüten Konfitüre im Onlineshop Little Finland. Bald wird auch das KaDeWe sie ins Programm nehmen. Galeria Kaufhof am berliner Alex hat während der Messe einen Vertrag abgeschlossen. Verdient, finde ich, bessere Marmelade habe ich mein Lebtag nicht gegessen.

Was ich an Finnish Plant cool finde: Rosen-Kreationen kenne ich viele. Doch keine kommt an dieses rosige Aroma heran. Die Wildrose zu zähmen ist mutig, denn das Blütenblatt hat seine Bitterstoffe. Damit stößt man beim breiten Publikum schnell an seine Grenzen. Doch darum geht es bei Finnish Plant eben gerade nicht, um die Masse, sondern um Musik, und die findet immer ihre Fans.

FrachtPilot

Béla Hecker und Dr. Sebastian Terlunen von FrachtPilot freuen sich über einen verdienten ersten Platz beim Startup-Days Wettbewerb der IGW 2020.

Stell dir vor, es wäre regionaler Wochenmarkt und alle gingen hin. So ähnlich hat Dr. Terlunen wohl gedacht, als er FrachtPilot gründete. Die Hälfte seiner Freunde sind in der Landwirtschaft tätig, erzählt er, als ich seine Gründerstory abfrage. Er hat ein Software-Unternehmen gegründet für Landwirte. Über die Plattform FrachtPilot können Produzenten alles mieten, was man als Farmer für regionale Direktvermarktung im Netz braucht: Onlineshop, Warenwirtschaft, Lieferscheine, Tourenplaner, Bezahlpartnerschaften, mobile App … alles ist durchdacht vom Feld bis zum Verbraucher.

Etwa sechzig Kilometer ist der Radius definiert für “regionale Lebensmittel”, darauf ist auch die Software ausgelegt. Sebastian Terlunen wurde selbst groß auf einer Farm im Münsterland. Als sein Großvater starb, musste seine Großmutter den Betrieb verpachten. Seine Mutter studierte, Ärztin wurde sie anstelle Bäuerin. Ihr Sohn Sebastian studierte Wirtschaftsinformatik, promovierte in Logistik. Er sagt seiner Heimat nun “dankeschön” mit seiner praktischen Software. Die Großmutter ist leider schon gestorben vor acht Jahren. Ihr Altenteil am Familienhof wurde Unternehmenssitz. Stolz kann sie sein auf ihren Enkel.

Frachtpilot ist selbst programmierte Regiosoftware und kein Amazon für Landfood. Vielmehr tritt jeder Produzent individuell auf, der sich einbucht in das System, autark von anderen Anbietern. Welche Services man von Frachtpilot kauft, wie hoch die Mindestabnahmemenge für eigene Produkte ist, wie weit der Lieferradius bemessen sein soll, bleibt Entscheidungshoheit der Abonnenten. Die coole Idee wurde von der Startup Day Jury der IGW mit Bestnoten honoriert: Erster Preis für FrachtPilot, wird stolz verkündet. Möge die Regionalmacht mit euch sein.

Was ich an FrachtPilot cool finde: Sebastian Terlunen erzählte mir die glaubhafteste Gründerstory, die ich jemals gehört habe. Er hat Pain Points seiner Kontakte in global skalierbare Software übersetzt. FrachtPilot ist ein echtes soziales Startup, das seinen Mehrwert in Regionalwährung ausdrückt.

Verein.Natur.Bauern.Hof

Robert Strasser ist Oberösterreichischer Landwirt mit guten Ideen und einer halböffentlichen Privat-Speisekammer.

Wir brauchen eine Evolution! Hinter mir tuscht die österreichische Blasmusikkapelle. Ich verstehe nicht, was Robert Strasser mir sagen will. Was brauchen wir? Eine Revolution? Noch eine? Robert schüttelt den Kopf. Nicht Re. Re heißt gegen. RObert ist aber nicht gegen. EEEEvolution ruft er, wir müssen WEITERdenken!!
Robert Strasser, Präsident vom Verein Natur.Bauern.Hof, hat sich zum Ziel gesetzt, kleinbäuerliche Strukturen zu erhalten und zu fördern. Sein jüngstes Vereinsprojekt ist ebenso analog wie cool: Im ehemaligen Jungbullenstall von seinem Hof hat Robert Strasser eine Speisekammer eingerichtet. D´Speis, das klingt nach selbst Eingemachtem, Mehlsäcken, Weinflaschenstapel und einem dicken Käselaib. So ähnlich kann man sich d´Speis auch vorstellen. Nur etwas größer, mit einer Glastüre zum Hof. Vor der Türe ist ein kleiner digitaler Ziffernblock. Für Vereinsmitglieder. Wer 10 Euro Mitgliedsbeitrag bezahlt pro Jahr, bekommt die Zauberkombination verraten, mit ihr kann man die Türe öffnen und darf sich in d´Speis bedienen. Jeder kann rund um die Uhr kommen und mitnehmen, was man mag. Die geholte Ware wird händisch eingeschrieben in eine Liste, der Warenwert wird in eine Kasse geworfen. Überwachung gibt es keine.

Das ist so ähnlich wie ein SB-Laden, grinst Robert, aber privat! Mehr Freiheiten hat der mündige Bürger hier. Es wird nicht verkauft, was man überall in Supermärkten bekommen kann. Vielmehr sind alle Kleinstproduzenten eingeladen, ihre (hochwertigen) (bio) Produkte in d´Speis zu stellen. Das kann die sorgfältige Teres sein, die hundert Gläser Marillenmarmelade eingekocht hat, oder der Huberbauer mit seiner handgemolkenen Rohmilch. Auch der Loisl kann d´Speis für frische Mostbirnen nutzen, die Tina dann zu Mus verarbeitet.

So einen Verein kann jeder gründen ist Robert Strasser überzeugt, auch in Deutschland. Das könnte man in einem Einkaufszentrum machen, vielleicht ein wenig versteckt ohne Glastüre, oder im Hinterzimmer von einem Club. Nur öffentliche Förderungen, die sollte man besser nicht nutzen, findet er. Lieber leise bleiben, unauffällig. Einfach machen, unter sich bleiben. “Mir ham des ausm Cash-Flow finanziert” verrät er, ohne Subventionen. Einen Bullenstall auszubauen zum Vereinsraum ist nicht teuer. Fünfzehn Tausend Euro hat der Verein investiert für hygienische Zustände und Kühlschränke. Die kleine Mühe lohnt sich schon, findet der Ehrenpräsident, damit nicht jedes regionale Leben in Grund und Boden reglementiert wird.

Was ich am Verein Natur.Bauern.Hof cool finde: Robert Strassers Initiative hat Vorbildwirkung. Was einmal funktioniert, funktioniert auch woanders. Man lernt von Pionieren, nimmt sich ein Beispiel an ähnlichen Projekten und teilt seine Erfahrungen. Die Speisekammer-Akademie wächst im Hintergrund. Genau hinschauen und lernen, wie es funktioniert, ist angesagt.

Hofgut Rosengarten

Cornelia Heinemann vom Hofgut Rosengarten bäckt Baiser, mischt Eierlikor und streichelt Hühner.

Wofür braucht ein mobiler Hühnerstall Strom? Ich oute mich als landwirtschaftliche Analphabetin. Cornelia Heinemann schwärmt von ihren artgerechten Hühnermobilen, energieautark, mit Solarzellen auf dem Dach. Na, für die Hühner! Sie brauchen Licht, sie brauchen Wärme, die Klappen sind mit Strom betrieben, auch der Futterautomat. Ohne Strom geht´s nicht. Wenn es dunkel wird draußen, finden die Hühner ohne Licht im Stall nicht mehr nach Hause. Cornelia vom Hofgut Rosengarten kennt sich gut aus. Andere Hühnerställe haben eine lange Leitung, sie zerstören das umliegende Weideland. Man kann sie auch nicht so einfach bewegen, um den Hühnern immer frisches Gras zu bieten. Deshalb nutzt Cornelia Solarzellen. Für fünf Sterne Hühnerkomfort.

Ursprünglich ist Cornelia echte Berlinerin. Sie lebte aber viele Jahre lang in Bayern, als Hotelexpertin. Während eines Urlaubs auf Usedom traf sie ihren späteren Mann, den Hubertus. Nach knapp zwei Jahren Fernbeziehung über tausend Kilometer beschloss man: ganz oder gar nicht. Cornelia zog nach Walkendorf, heiratete, wurde Regentin über 1250 Hühner.

Rosengarten, das kommt nicht von duftenden Blüten, sondern von den Rössern, die früher auf dem Land grasten. Zu DDR Zeiten wurde das Land für unterschiedliche Zwecke genutzt. Im ehemaligen Schnitterhaus wohnten viele Generationen, selbst ein Gefängnis war mal eine Weile darin eingerichtet. Es ist heute umgebaut zu Ferienwohnungen. “Sogar jetzt noch kommen manchmal Menschen zu uns, die früher im Haus gewohnt haben” erzählt Cornelia, sie lebt seit fünf Jahren hier. Ihre glücklichen Bio-Eier werden vermarktet in der Region. Doch der kreative Geist lässt Cornelia nicht in Ruhe. Sie hat einen Eierlikör entwickelt, so wie er sein soll: Niemals erhitzt, mit Hochprozentigem haltbar gemacht, dazu Rohrrohpuderzucker und Biosahne. Mehr ist nicht drin, nicht einmal hippes Spekulatius-Aroma, so wie bei den Berlinern in der Halle 22. Ich schaue gleich noch einmal bei Cornelia vorbei. Nicht um Eierlikör zu kosten, sondern weil sie so eine coole Person ist.

Was ich am Hofgut Rosengarten cool finde: Zufriedene Tiere stehen im Vordergrund. Das Huhn ist König. Gleicher Ansatz beim Eierlikör. Das Dotter ist wichtig, sein Aroma soll betont werden. Weniger ist Ei.

Naturopolis

Mama Lucie Frädrich und Sohn Andreas präsentieren selbst gezogenen Meerfenchel von einer Dachfarm in Berlin-Lichtenberg

Wir sind auf´s Dach gegangen, um nachhaltig zu sein. Andreas Frädrich ist Urberliner. Er kennt alle Urban Farming Projekte der Hauptstadt. Wirklich nachhaltig ist keines von ihnen, findet er. Denn viele gehypte Brachen-Projekte haben keinen Bestand. Sie existieren ein paar Jahre, dann müssen sie einer Baustelle weichen. Alles Medienshow. Wohin sollen sie gehen, die Hauptstadtgärten, wenn anstelle von Bienen Bagger summen? Ins Umland? Und dann? Nachhaltigkeit geht Hand in Hand mit Lokalität – einzig darauf setzt Andreas Friedrich mit seiner Urban Salt Farm Naturopolis gegen den Klimawandel. Wenn ein Gartenprojekt in Brandenburg liegt, wo ist dann der Mehrwert? Wie kann man so CO2 sparen? Mit der Regionalbahn kommen schon Pendler kaum voran, geschweige denn Gütertransport.

In Asien ist Urban Farming längst angekommen, in Städten, die Platzprobleme haben: Horizontale Gärten, Dachbegrünung, das ist dort nichts Besonderes mehr. Doch in Berlin ist Andreas Frädrich einzigartig. Auf dem Dach eines Industriedenkmals in Berlin-Lichterfelde züchtet er Meeresgemüse: Salzkraut, eine Spargelart, kann ich bei der IGW 2020 probieren, dazu Meerfenchel, Strandbananen und Austernpflanzen. Alles bio? Theoretisch schon, doch Urban Farming ist nicht zertifizierbar, seufzt Andreas. Eine kuriose Vermarktungs-Lücke tut sich auf. Biosupermärkte dürfen die seltenen Produkte nicht ins Programm nehmen. Aber darum geht es Familie Fraedrich auch gar nicht. Andreas Portfolio richtet sich eher an hochwertige Gastronomie, als an den privaten Biokonsumenten. Zudem wird er im April einen eigenen Stand eröffnen in der Markthalle Neun, für lokale Salzpflanzen, die mit berliner Leitungswasser und Regen gegossen wurden. Das Projekt ist krisenfest. “Jedenfalls haben wir keine Wildschweine auf dem Dach” grinst Andreas Friedrich zufrieden.

Andreas Frädrichs stolze Mutter Lucie unterstützt am Infostand der IGW 2020. Sie kennt alle Geheimnisse von ihrem Sprössling, herzlich freut sie sich, dass es so gut läuft mit seiner Idee. Ich bin bei weitem nicht die einzige Medienvertreterin, die das alles spannend findet. Der regierende Bürgermeister von Berlin war schon da für ein gemeinsames Foto am Stand des Meeresgärtners, Tagesspiegel, Berliner Zeitung und ARTE haben berichtet. Und wie schmeckt es, das Gemüse? Salzig. Lecker. Fein als frischer Snack, finde ich. Superfood in domestiziertem Wildgewand.

Was ich an Naturopolis cool finde: Lernen Sie Andreas Frädrich und seine Mutter Lucie kennen, dann wissen Sie, was “Coolness” bedeutet.

Weingut Seck

Schmeckt nicht jedem: Pét Nat, naturbelassener Perlwein mit orangegoldener Spritzigkeit und kessen Gerbstoffen.

Pelzig wird mir´s im Mund. Die lustige Standnachbarin von Weinproduzent Axel Seck kann sich nicht so recht begeistern für seinen Bio Pét Nat. Gesunde Gerbstoffe sind es, von denen sie ungewohnt überrascht wird. Ich finde den orange Perlwein gar nicht pelzig. Im Gegenteil, mir prickelt seine natürlich spritzige Kohlensäure frisch-angenehm auf der Zunge. Doch über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Nicht einmal Journalisten sind Fan von Pétillant Naturel, verrät Axel Seck. Manche lehnen ihn sogar vehement ab, seinen Naturwein, der auf uralte Art neuzeitig trendy in der Flasche gären darf.
Zehn Tage auf der Maische ist er gelegen, bevor der Traubenmost abgefüllt wird in Sektflaschen. Im Unterschied zu Champagner, der fertig vergoren in der Flasche lediglich eine zweite Gärung durchläuft mithilfe von zugesetztem Zucker und Hefe, bleibt der Pét Nat natürlich, ohne alle Zusätze. Die erste Gärung wird fortgesetzt in Flaschen, die mit Kronenkorken verschlossen sind. Sie halten dem Druck der Gärung stand, bis sechs Bar Innendruck können sie abfangen. Ob ihm schon einmal eine Flasche explodiert ist, will ich neugierig wissen. “Bisher noch nicht” lächelt Axel Seck vergnügt. Sobald der Druck in der Flasche durch Gärgase angestiegen ist, stoppt die Gärung. Der Wein bleibt stabil, mit lebendigen Hefen und Mikroorganismen, die sehr gesund sind und förderlich für das zwischenmenschliche Wohlbefinden. Etwa drei Monate dauert der Reifeprozess in der Flasche, ehe er natürlich anhält, ohne Zusatz von Sulfiten. Drei Jahre lang mindestens sollte der Pet Nat gut trinkbar sein, hofft Axel Seck, der seine ersten Versuche auf die IGW 2020 mitgebracht hat.

Muscaris Trauben verwendet das Weingut Seck für seinen Pet Nat, eine Züchtung aus gelben Muskatellertrauben mit der Solarisrebe. Ihr zitronig frischer Geschmack verträgt sich bestens mit fruchtiger Spritzigkeit von einem Perlwein.
Eifersüchtig beobachte ich, wie Herr Seck seiner unzufriedenen Messefreundin vom konventionellen Backstand nebenan versöhnend eine Flasche “normalen” geschwefelten bio Weißwein schenkt.
Sie weiß den Seckwein gar nicht zu schätzen, brumme ich leise in mich hinein. Ich will auch eine Flasche geschenkt bekommen. Nicht den geschwefelten Biocuvée, sondern den lebendigen extra orange Pet Nat. Ich will mich als coole Weinkennerin beweisen. “WO kann ich Ihren Pet Nat bekommen?”, frage ich scheinheilig.
NUR hier auf der Messe, bisher hat kein einziger Vertragshändler den Pet Nat in sein Programm aufgenommen, entschuldigt sich Axel Seck. Schnell trägt er die geöffnete Flasche Orangewein zurück in sein gekühltes Messe-Kabüffchen. Aber ich fand ihn doch köstlich, seufze ich sehnsüchtig. Nicht wegbringen … er versteht mich nicht. Das ist typisch für deutsche Männer: Sie werden nur dann ganz besonders süß, wenn man mit ihnen schimpft.

Was ich am Weingut Seck cool finde: Bio Qualität ist der Familie Seck nicht genug. Wenngleich Vin Naturel DER junge Trend von Weinfashionisten wurde, ist er immer noch das zickige Kind in der globalen Weinfamilie. Dieses hochsensible Rüpelchen zu adoptieren erfordert eine entspannte, geübte Hand für Trauben. Ebenso für überrumpelte Konsumenten, die natürlichen Weingeschmack noch nie verkostet haben.

Terra Marascae

Denis Rubic´ an seinem IGW Messestand: Zweierlei Sorten Kirschsaft pur oder mit Hanf, Kischlikör und Kirschschnaps.

Da hast du studiert und jetzt fährst du Traktor. Denis Rubic´ Eltern waren nicht begeistert von seinem Lebenstraum. Als kroatische Gastarbeiter kamen sie nach Deutschland, Denis wuchs auf unweit vom Bodensee. “Meine Eltern waren so arm, sie konnten sich nur ein N in meinem Namen leisten” witzelt der sympathische Gründer über seine Herkunft.
Er studierte BWL, wurde Unternehmensberater. 2007 verwirklichte er sich einen Traum: Denis Rubic´ wurde Botschafter von Antioxidantien.
In der verkarsteten, bergigen Landschaft von Dalmatien unweit der kroatischen Adriaküste wächst die aromatischste Steinfrucht der Welt: Maraska Sauerkirschen duften nach Jasmin und Rose. Ayurveda Köche hätten daran reine Freude – vier Geschmacksrichtungen sind verpackt in einer einzigen Frucht. Die Kirschen sind angenehm sauer, mild salzig, ein wenig herb, dabei gleichzeitig zuckersüß. Ihre sekundären Pflanzenstoffe sind sehr gesund. Maraska Sauerkirschen wirken entzündungshemmend, schmerzlindernd und antikanzerogen, sie machen munter und stärken das Herz.
Um den Saft als krebshemmende Naturmedizin zu komplettieren, kreierte Denis Rubic´ eine Saftvariation mit frischem Hanf Kaltwasserauszug (100% legal). Das Ayurvedische Spektrum wird komplett mit kräuterigen Geschmäckern, die sich harmonisch mit Blütenaromen der Kirschen mischen, und zarten Andeutungen von bitter und scharf. Cannabisduft umweht die feine Saft-Mazerat-Mischung, die mindestens so gesundheitsfördernd wirkt, wie sie schmeckt.
Es liegen bereits Pollen vom Haselstrauch in der Luft. Meine Nase reagiert leicht allergisch. Der Terra Marascae Kirschsaft mit Hanf lindert meine Beschwerden.

Denis´ Bruder starb an Krebs, als dieser gerade einmal Anfang zwanzig war. Es ist mehr Vermutung denn ausgesprochener Vorsatz, doch ich hatte bei meinem ersten Kennenlernen bei der IGW 2020 schon ein wenig den Eindruck, Denis Rubic´ hat bewusst ein natürliches Tumor Therapeutikum entwickelt mit seinem Kirschsaft.
Mithilfe von Crowdfunding konnte er sein Land pachten. Terra Marascae wurde ins Leben gerufen. Der karstige, steinige Boden von Dalmatien wirkt wie ein Sonnenkollektor für die sensiblen Kirschbäume. Fruchtfleisch ohne Schadstoffe ist gewachsen. In Deutschland wurden die Kirschen geprüft auf potenziell schädliche Rückstände. Das Labor musste die Tests mehrfach wiederholen, man hielt die ersten Ergebnisse für Fehlanalysen, als man überhaupt nichts Schädliches fand.

Terra Marascae Saft ist erhältlich in 200 ml Glasflaschen, wahlweise pur oder mit Hanf. Ich habe an drei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils eine Flasche leer getrunken. Lange habe ich mich nicht mehr so fit gefühlt, dabei gleichzeitig fröhlich tiefenentspannt, denn der Saft ist reich an Melatonin.

Was ich an Terra Marascae cool finde: Maraska Kirschsaft mit und ohne Hanf wurde ausgestellt im Professional Center der IGW. Als Pressevertreterin konnte ich die Produkte in Ruhe testen. Ein kleiner Schluck stand-alone Kirschsaft reichte schon, ich war schockverliebt. Denn dieser Saft ist Delikatesse, Anti-Aging Nahrungsergänzung und Naturmedizin gleichzeitig.

Brenay Peru International SRL

Franklin Gonzales Lujan kredenzt mir Inka Muna Tee. Sein USP ist allerdings Pisco Weinbrand in allen Varianten.

Eine Cocktailbar?! Hier bin ich falsch, befürchtete ich, als ich ankam in Halle 6.2 Abschnitt A Mitte außen. Im Virtual Market der IGW war Inka MUÑA Tee gelistet gewesen, bio. Ich hoffte auf einen duftenden Kräuterstand mit schamanischem Insiderwissen. Doch hier war laute Party angesagt. Girls im Dirndl soffen Hochprozentiges am Stehtisch. Ich glaube, sie haben gejodelt. Etwas schüchtern klopfte ich an die Seitentüre der Barbude. “Haben Sie Tee”?

Tee?? Die Barfrau verstand mich nicht. Ein Mann wurde herbeigerufen. Er könnte eventuell Schamane sein, hoffte ich, sein Auftreten war passend, ein wenig peruanisch aktiviert. Das sei so eine Sache, das mit dem Tee, dafür interessiere sich leider niemand auf der Messe. Die Leute wollten eben Cocktails, entschuldigte sich Franklin Gonzales Lujan aus Lima, der schon lange in Potsdam lebt. Er zog verstohlen eine offene Pappbox unter der Theke hervor. Darin Muña Tee in Papierfilterbeuteln. Die sogenannte Anden-Minze ist reich an ätherischen Ölen, sie fördert die Verdauung und ist gut für die Atemwege. Ich bekam duftenden Aufguss im Einwegbecher. Kaufen als Kraut konnte ich den Tee jedoch nicht.

Kräuter Kühne hatte Muña Tee im Sortiment, erzählt Franklin, doch der beliebte berliner Tee- und Kräuterladen wurde geschlossen. Ein Pharmaunternehmen hatte den traditionsreichen Familienbetrieb übernommen, zwei Jahre später wurde er abgewickelt. Die Pharmaindustrie sei auch verantwortlich für Importverbote auf peruanische Heilpflanzen wie Mate de Coca, weiß Franklin, oder für die Zulassungspflicht auf Una de Gato, Katzenkralle, die anti entzündlich und anti leukämisch wirkt. Ohne Lizenz darf man die Heilpflanze nicht einführen. Deshalb gibt es keinen peruanischen Heilkräuterladen auf der IGW. Die Brenay Peru International SRL ist auch kein Teesalon. Mit der MGO Pisco Bar hat man sich auf peruanischen Weinbrand spezialisiert, den darf man einführen und rezeptfrei ausschenken. Auch damit ist spirituelle Heilung möglich, jedenfalls ist die Stimmung am Barstand bestens.

Was ich cool finde an der Brenay Peru International SRL: Kerngeschäft ist Pisco, peruanischer Weinbrand aus Traubenmost. Doch man vergisst nicht auf traditionelle Kräuterkultur. Duftender Muña Tee ist verfügbar, als Bückware unter der Theke auf Anfrage. Spannende Gespräche inklusive mit Franklin, dem prominentesten Repräsentanten von peruanischer Kultur in Berlin.

Kalocsa Folk Association

Erzsebet improvisiert gekonnt Blumenornamente und mini Cut-outs nach Kalocsa Tradition auf einer Tischdecke. Sie arbeitet eine Woche an einem Leinentuch von 100 Zentimetern Länge. Das Stück wird zum Preis von ca. 100 Euro verkauft werden.

Auf der IGW bekommt man traditionelle Volksklischees serviert, wie man sie sonst nur noch aus deutschen Satiresendungen kennt. Österreich ist Land der Käseberge, im Strome fließt das Bier. Land der Äcker für durchwachsenen Speck, Dom ist die Almhüttn mit Dirndlpflicht.
Ungarn schaut nicht viel anders aus. Paprika liegt in der Luft, Salami grüßt Gulasch, frittierter Knoblauchfladen ist ungarisches Grundnahrungsmittel. Man trinkt süßen Wein, ölt seine Kehle, Rentnerinnen bemalen Eier. Hier ist nichts cool, dachte ich, doch dann sah ich Erzsebet.

In weiß gekleidet, mit Spitzenhäubchen und kunstvoll verziertem Leinenhemdchen, werkte Erzsebet an einer höchst analogen Singer Nähmaschine. Ihr Arbeitsgerät war mindestens doppelt so alt wie sie. Fasziniert beobachtete ich, wie Erzsebet mit der Nadel ihrer antiken Maschine klöppelt, stickt und zeichnet gleichzeitig. Den Rhythmus der Nadel gibt sie selbst vor, mit Patschenfüßchen auf dem Trittbrett. Sie arbeitete an einer Tischdecke, on the fly verziert mit Blumenmotiven und frei interpretierten Cut-Out Ornamenten, wie man sie heutzutage nur noch mithilfe von Lasertechnik herstellt.

Die Kalocsa Folk Association wirkt inmitten platter Klischees wie eine authentische Insel. Das ist keine Touri-Show. Die Mädels meinen es ernst mit ihren Blumenvariationen, endlos! Ungarische Volkskunst von stromfreiem Werkzeug das ewig hält, fröhliche Gemeinschaft, bunte Sozialstrukturen, mehr Nachhalt geht nicht.

Was ich an der Volkskunst von Kalocsa cool finde: Alle Generationen machen mit, Frauen und Männer. Nachwuchs gibt es zahlreich, die Tradition stirbt nicht aus. Begleitet wird die handgemachte Blumenpracht von Musik und Tanz. Wenn man gut gelaunte Performances der Kalocsa Folks anschaut, wird man mindestens angesteckt. Steht nicht auf dem Dachboden die alte Nähmaschine von Oma?

Linie w Ogniu

Anwältin Dobromila und ihr Gatte Marek, studierter Ökonom, setzen auf Gerichte am Feuer und Ziegenkäse.

Meinen Namen kannst du nicht aussprechen, lacht Dobromila mit durchgestrichenem L, das meine Blogfont nicht abbilden kann. Dobromila Tenerowicz-Gradzka ist Anwältin für Wirtschaftsrecht und Familienrecht. Sie hat aber keine Lust mehr auf Streitigkeiten. Lieber steht sie in der Küche. Zusammen mit Ehemann Marek hat sie ein Restaurant eröffnet unweit Lwówek, knapp drei Autostunden entfernt von Berlin. “Wir kochen und backen auf offenem Feuer” berichtet Dobromila begeistert, “komm vorbei, schau es dir an!”

Aufmerksam wurde ich auf Dobromila durch Käse. Ein krümelig brauner Käselaib lag auf ihrem Tisch der IGW, erst dachte ich, das sei verschimmeltes Brot. Doch weit gefehlt, der Blickfang aus Bio Milch von freilaufenden Ziegen ist einfach nur sehr lange gereift. “It´s very strong”, warnt Dobromila. Schon seit fast zwanzig Jahren hilft sie ihrem Marek mit seinen freilaufenden Ziegen, er ist studierter Ökonom mit Cowboyhut. “Ein Original aus Huston, Texas”, grinst Marek, als ich ihn frage, ob seine Kopfbedeckung Messe-Deko ist. Den Hut trägt er tatsächlich, wenn er in die Ziegen geht, und wenn man nach dem Staub geht auf dem Filz, dann müsste das auch stimmen.

Was ich an Linie w Ogniu cool finde: Zwei smarte Menschen haben Spaß an archaischen Lebensformen. Sie teilen dieses Erlebnis mit zahlenden Gästen, die in ihrer beheizten Sicherheit längst vergessen haben, wie man offenes Feuer im Alltag nutzen kann.

Kokojoo

Dayog Kabore entwickelte das coole Getränk Kokojoo aus Kakaoschalen-Aufguss mit milder Süße und Zitronensaftkonzentrat.

Mein Hauptwohnsitz ist die Welt, lacht Dayog Kabore, als ich ihn überrascht frage, wo er eigentlich wohnt. Sein Firmensitz ist Berlin, doch sein Leben spielt sich ab zwischen Frankreich, Côte d‘Ivoire, Burkina Faso, Schweiz und Deutschland. Hier studierte er, mithilfe eines Stipendiums. Er begann eine Promotion zum Thema Security Governance in Afrika. 2019 fungierte er als Berater/Botschafter für die Gestaltung von nachhaltigen Wertschöpfungsketten in der Kakaobranche für das BMZ auf der IGW. Aus der Beschäftigung mit der Kakaopflanze entstand der Wunsch, alle Bestandteile ihrer Frucht zu respektieren und zu verarbeiten. So entwickelte er ein leckeres Getränk aus Kakaobohnenschalenaufguss mit etwas Agavendicksaft und Zitronensaftkonzentrat. Kokojoo wurde Neuzugang unter hippen Getränken wie Charitea und Lemonaid. Kokojoo ist im Laufe des Februars im Einzelhandel erhältlich.

Die Kakaobohne wird üblicherweise nur geschält verarbeitet. Abfall sind ihre Pulpa und ihre Haut. Diese zu nutzen spart Ressourcen. Süßes Fruchtfleisch, das eine Kakaobohne natürlich umhüllt, darf derzeit noch nicht als Lebensmittel verkauft werden – die Novel Food Verordnung der EU gab es noch nicht frei als unbedenkliche Zutat zu Lebensmitteln. Kakaobohnenschalen jedoch sind traditionell etabliert – sie können in Umlauf gebracht werden als Zubereitung.

Was ich an Kokojoo cool finde: Kokojoo, angelehnt an joie, Französisch für Freude, wurde bereits 2019 bei den Startup Days der IGW vorgestellt, damals noch nicht marktreif. Ich konnte kosten, bekam auch Produktproben geschenkt und fand, dass sowohl Geschmack und Idee als auch Design und Gründer hypercool sind. Das Getränk blieb mir in guter Erinnerung. Am letzten Tag der IGW 2020 bummelte ich durch die Halle des BMZ. Eine ausgestellte Kokojoo Flasche sprang mir geradezu ins Auge. Kann man den Kakaoschalendrink jetzt kaufen?, freute ich mich.
Bald wird Kokojoo im neu gegründeten Onlineshop emoa.africa verfügbar sein.

Mein Fazit IGW 2020

Beinahe die Hälfte meiner coolsten Aussteller-Entdeckungen der Grünen Woche 2020 bieten Getränke an. Manche mit Alkohol, manche davon mit Koffein. Alle sind sehr gesund, wirken antioxidativ oder sind förderlich für das Immunsystem. So eine Auswahl war vorab von mir nicht geplant. Vielleicht habe ich mich unterbewusst leiten lassen? Ich hege schon länger den Vorsatz, eine gesunde Fastenkur zu starten mit zellschützenden Getränken. Die Zusammenstellung meiner coolsten Aussteller in diesem Artikel ist reiner Zufall. Es hätte noch viel mehr nennenswerte Bio Produzenten gegeben, die sehr gut in meine Top Auswahl passen würden.
Ich bin froh, dass es die IGW jedes Jahr gibt, zuverlässig wie Ostern trotz Klimawandel.

Welche Aussteller der IGW 2020 haben Ihnen besonders gut gefallen? Schreiben Sie gerne einen Kommentar!

17 Kommentare
  • “Bio” Landwirtschaft ist konventionell. Für unsere Vorfaren gab es keine Pestizide-Perversion. Knallrote Siegel mit Totenkopf brauchen wir für Gift im Supermarkt. Oder schwarz gerahmte Hinweise wie bei Zigaretten. “Wer Pestizide aufgibt verringert das Risiko tödlicher Erkrankungen”

    • Lieber Skarabäus, da bin ich ganz bei Ihnen. Bezüglich der krankmachenden Wirkung vieler Pestizide auf den Menschen ist bislang leider immer noch zu wenig Bewusstsein geschaffen worden in der Öffentlichkeit.

  • Intelligente und zukunftsorientierte Firmen setzen sich durch. Moderne Denke und Marketing wie Kommunikation mit Kunden hat Erfolg.
    Bio-Landwirte wie Robert Strasser tun gut daran, wenn sie sich selbst helfen, d. h. sich reformieren ohne Subventionen.

    • Lieber Béla, stimmt. Teltower Rübchen sind unfassbar cool. Ich kenne ihr Gemüse von Wochenmärkten. Übersehen kann man sie dort nicht. Die Rübchen haben auf der IGW vergessen, im Virtual Market “bio” als Ausstellermerkmal anzugeben. Sie sind bei meiner vorab-Recherche ausgesiebt worden – denn um Stände von konventioneller Landwirtschaft habe ich mich nicht gekümmert. Umso lobenswerter, dass Sie daran nicht vorbei gelaufen sind.

    • Da der Teller durch meine Anerkennung in den Stand eines Objet trouvé erhoben wurde, sollte er pro Stück 300,- Euro kosten. Ich signiere ihn dann gerne auch.

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